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Der Gott unseres Lebens ist mitten darin...

Ich arbeite als Seelsorgerin und habe mir ein berufliches Sabbatjahr genommen, um mich in verschiedenen Projekten im Ausland zu engagieren. Coronabedingt musste ich bislang alle Pläne verschieben. Ich nutze die Wartezeit, um u.a. als Hospizhelferin tätig zu sein. Jetzt habe ich Zeit und kann einen Menschen nicht nur punktuell, sondern längere Zeit begleiten.

Freitag, 20. Februar

Zu Beginn der Fastenzeit beginne ich – ich nenne ihn hier Herrn Meier- im Altenheim zu besuchen. Wir unterhalten uns gut. Mehrermals wöchentlich bin ich von jetzt an dort.

Samstag, 28. Februar

Heute sitzt Herr Meier erstmals nicht im Rollstuhl, sondern liegt im Bett. Ich sollte ihn fortan immer so erleben. Unsere Gespräche gehen weiter. Immer beenden wir sie mit einem Vater Unser und dem Segen. Es ist mir und ihm wichtig.

Mittwoch, 17. März

Heute treffe ich beim Besuch auf Herrn Meiers Tochter. Sie kümmert sich sehr um ihn. Sie meint, dass es zu Ende gehen würde. Erstmals bete ich nicht mit ihm, sondern mehr für ihn. Ich erbitte den Sterbesegen. Vielleicht bekommt er nicht mehr alle Worte mit, aber auch die Gesten sind eine eigene Sprache.

Montag, 22. März

Bei meinem Besuch heute möchte Herr Meier, dass ich das Fenster aufmache. Dann bittet er mich, ihm aus dem Bett aufstehen zu helfen. Ist er schon bereit die Reise in die andere Welt anzutreten?

Dienstag, 23. März

Herr Meier ist heute sehr lebendig. Er hält meinen Arm mit ziemlicher Kraft fest. Ich merke deutlich, wie wichtig Berührungen sind und wie sehr wir Menschen uns festhalten möchten.

Donnerstag, 25. März

Heute ist Herr Meier ganz ruhig. Seine Augen sind verschwommen, als ob er schon in die andere Welt hineinblicken könnte. Die Worte des alten Simeon, die die Kirche in ihrem Nachtgebet täglich betet, kommen mir in den Sinn: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen…“ (Lk 2, 29f)

Samstag, 26. März

Herr Meier atmet sehr laut und schwer. Die eine Hand ist immer in Bewegung. Heute will er sie nicht festhalten lassen. Das „Halte mich nicht fest!“ (Joh 20, 17) des Osterevangeliums fällt mir ein. Vielleicht sind es schon die Hände Gottes, die sich Herrn Meier immer näher entgegenstrecken und die er erwartet? Diese bergenden Hände überschreiten tatsächlich menschliche Berührungen. „Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist“ (Lk 23,46) beten wir am Karfreitag mit den sieben Worten Jesu am Kreuz und ich bete diese Worte laut für Herrn Meier.

Wenige Stunden nach diesem Besuch stirbt Herr Meier. Am Vorabend des Beginns der Karwoche endet sein persönlicher Kreuzweg.

Wie das Leben scheint mir auch das Sterben nicht linear zu sein. Kreuzwege und (alltägliche) Auferstehungserfahrungen vermischen sich, Nähe und Alleinsein, Diesseits und Jenseits. Mir fällt der Refrain eines neuen geistlichen Liedes ein: „Das Ende ist Anfang, der Tod Neubeginn, und du, Gott unseres Lebens, darin“ (Gregor Linßen). Tatsächlich: göttliche Spuren lassen sich in vielen menschlichen Erfahrungen entdecken. Gerade auch in den existentiellsten. Es braucht aber unsere Zeit, Aufmerksamkeit und Offenheit, den „Gott unseres Lebens mitten darin“ zu spüren.

Vielleicht kann uns dies durch die Kar- und Ostertage oder durch die ökumenische Woche für das Leben (17. bis 24. April) unter dem Motto „Leben im Sterben“ wieder ein wenig bewusst werden.

Andrea M. Friedrich
Geistliche Beirätin des KDFB-Diözesanverbandes Bamberg

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