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Für das Recht, zu sorgen und umsorgt zu werden

Die Corona-Pandemie hat Vieles verschärft deutlich gemacht: die Care-Krise, in der sich unsere Gesellschaft befindet, die Systemrelevanz von Sorgearbeit jeglicher Art und die Überlastung, der sich vor allem jene Frauen ausgesetzt sehen, die Erwerbs-arbeit und Sorgearbeit miteinander vereinbaren.

Es bedarf eines neuen gesamtgesellschaftlichen Konsenses, bei dem eine Jede und ein Jeder ein Recht darauf hat, für andere sorgen zu können und selbst versorgt zu werden; unabhängig davon, ob man in familiären Strukturen eingebettet ist. Es muss zu einer neuen Normalität von Lebensverläufen kommen, in der Lebensphasen-orientiert neben den Erwerbszeiten auch Zeiten für Sorgearbeit und Weiterbildung ermöglicht werden.

Der gesamte Care-Bereich muss als vernetztes System verstanden werden, das sich sowohl aus „privaten und unbezahlten“ als auch aus „professionellen und bezahlten“ Elementen organisch zusammensetzt. Politik und Gesellschaft dürfen bei der zu-kunftsweisenden Weiterentwicklung des Care-Bereichs nicht bei der Behandlung ein-zelner Symptome ansetzen. Im Care-Sektor werden Probleme der geschlechter-bezogenen und zudem internationalen Arbeitsteilung besonders sichtbar.

Der KDFB fordert die Bundesregierung, Unternehmen und Sozialpartner auf, in ihren Verantwortungsbereichen die folgenden politischen und strukturellen Rahmenbedin-gungen zu schaffen:

Erhöhung der gesamtgesellschaftlichen Achtung von Care-Arbeit!

Dazu gehört insbesondere:

  • Die Entwicklung einer gesamtgesellschaftlichen Strategie, um die Berufe im Pflegesektor, die sogenannten SAHGE-Berufe (Soziale Arbeit, haushaltsnahe Dienstleistungen, Gesundheits- und Erziehungsberufe) attraktiver zu gestalten. Dazu bedarf es einer höheren gesellschaftlichen Wertschätzung genauso wie einer fi-nanziellen Aufwertung.
  • Durch ein verpflichtendes Sozialpraktikum in der Sekundarstufe I sollen schon früh Fürsorgeberufe erfahrbar gemacht werden und so die gesellschaftliche Wertschätzung für soziale Berufe erhöht werden.
  • Das Recht, zu sorgen und umsorgt zu werden, muss durchgesetzt werden. Um den heutigen Lebensverläufen gerecht zu werden, müssen flexible Zeitbudgets für die Pflege von Angehörigen, die Erziehung von Kindern etc. bereitgestellt werden, die an eine Entgeltleistung gekoppelt werden (bspw. siehe Eltern- und Pflegegeld).
  • Einrichtungen der Kinder-, Altenpflege sowie der Betreuung von Menschen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen müssen gestärkt und durch weitere An-gebote ausgebaut werden. Die Betreuung außerhalb der Regelzeiten muss gerade für Alleinerziehende und für Eltern, die im Schichtdienst arbeiten, mitberück-sichtigt werden.

Geschlechtergerechte Aufteilung der Care-Arbeit!

Dazu gehört insbesondere:

  • Die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Pflegezeit muss verbessert werden. Dazu bedarf es der Schaffung von mehr vollzeitnahen Teilzeitstellen, des Ausbaus von Brückenteilzeit sowie von lebenslauforientierten Arbeitszeitmodellen.
  • Ein Drittel der Elternzeit muss Elternteil-bezogen sein, so dass es nicht übertragen werden kann. Es muss für beide Elternteile normal werden, ihre Erwerbsarbeit zu reduzieren oder aufgrund von Pflegezeiten gänzlich zu pausieren.
  • Die zeitweilige Verminderung der Erwerbsarbeit für Pflege- und Erziehungsaufgaben darf sich weder auf die Gehaltsstufe noch auf die beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten auswirken. Es muss möglich sein, Führungspositionen mit Teilzeitstellen zu kombinieren.

Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen!

Dazu gehört insbesondere:

  • Eine bundesweit flächendeckende Sorgeinfrastruktur muss gewährleistet werden, bei der der gesamte Lebensverlauf eines Menschen in den Blick genommen wird, beginnend bei der Kinderbetreuung bis hin zur Pflege älterer oder kranker Menschen.
  • Angebote der Beratung, Vorsorge und Rehabilitation für Mütter, Väter und pfle-gende Angehörige, wie beispielsweise die der KAG Müttergenesung, müssen weiterhin staatlich gefördert werden, da sie sich für den Erhalt und die Weiterentwicklung der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen einsetzen.
  • die Einführung von fairen, flächendeckenden Entgelt- und Dienstleistungsregeln im Pflegesektor – und dies gilt auch und besonders im Bereich der privaten Anbieter; Verbesserung der Personalausstattung in Pflegeeinrichtungen und -diensten sowie höhere verbindliche Mindeststandards. Die ausgesetzten Personaluntergrenzen während der Corona-Pandemie müssen einem bedarfsgerechten Bemessungsinstrument weichen.
  • Stetige Aus- und Weiterbildung muss dem Pflegepersonal zur Verfügung gestellt werden, so dass auf neue medizinische Erkenntnisse sowie Änderungen im Arbeitsalltag durch digitale Neuerungen eingegangen werden kann.
  • Anerkennung der bisherigen spezialisierten Pflegeausbildung sowie einer Evaluierung der generalisierten Pflegeausbildung;
  • Von dem Primat der diagnosebezogenen Fallpauschalen muss abgelassen werden, damit eine bedarfsgerechte und individuelle Pflege ermöglicht wird.
  • Gewinnmaximierung soll kein dominierendes Prinzip in Pflegeeinrichtungen sein. Wir fordern den Gesetzgeber auf, diesbezügliche Regelungen zu treffen.
  • Stärkung der pflegerischen Interessensvertretungen;
  • Die Lösung der Care-Krise hierzulande darf nicht zu Lasten anderer Länder gelöst werden. Bereits existierende Gesetze und Normen, wie das ILO Übereinkommen und der Globale Verhaltenskodex der WHO für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften, die das Anwerben ausländischer Pflegefachkräften bei eigenem Pflegenotstand begrenzt sowie Übereinkommen, die der Ausbeutung von Pflegepersonal durch illegale Dienstleistungsangebote entgegenwirken, müssen uneingeschränkt im Care-Sektor umgesetzt werden.
    Der KDFB verpflichtet sich, inner- wie auch außerverbandlich dazu beizutragen, dass den Berufen im Pflegesektor eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung entgegengebracht wird. Dazu bringt er sich im Rahmen von zivilgesellschaftlichen Bündnissen in die gesellschaftspolitische Diskussion ein. Er setzt sich mit den derzeit in Politik und Gesellschaft diskutierten Modellen zur geschlechtergerechten Aufteilung der Sorgearbeit, wie beispielsweise dem Optionszeitenmodell, auseinander und prüft diese auf ihre Wirksamkeit und Umsetzbarkeit hin.

Beschluss der Bundesdelegiertenversammlung, 24.10.2020

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